Untersuchungen zur Ökologischen Nachhaltigkeit im Onlinehandel

Executive Summary

Nachhaltigkeit der Lieferverkehr im E-Commerce

  • Der Lieferverkehr eines durchschnittlichen B2C Pakets durch einen KEP-Dienstleister verursacht gegenwärtig 790 g CO2e

  • Dies entspricht ziemlich genau den Emissionen, die für die Herstellung von 1 kg Nudeln angesetzt werden bzw. circa 5 im PKW zurückgelegten Personenkilometern.

  • Dabei verursacht die Auslieferung eines Paketes vom Versender zum Kunden ca. 866 g CO2e, eine Retoure nur 524 g CO2e, da Retouren oft durch die Kunden weggebracht werden, und deswegen weniger Lieferverkehr anfällt.

  • Für einen durchschnittlichen Einkauf addieren sich die Emissionen der Auslieferung und die anteiligen Emissionen an Retouren auf 981 gCO2e (ohne Kund:innenverkehr).

  • Da die meisten Emissionen auf der letzten Meile entstehen, verursacht ein (ohne vorherigen Zustellversuch) in Paketshop oder Packstation abgeholtes Paket mit 442 gCO2e deutlich weniger als ein an der Haustür abgeliefertes Paket mit 866 gCO2e.

  • Insgesamt werden für den Transport der 2,1 Mrd. nationalen B2C-Pakete circa 1,7 Mio. tCO2e ausgestoßen. Dies entspricht 3,7 % der Emissionen des Straßengüterverkehrs. Von dieser Paketmenge sind 20 % Retouren, die für 13 % der Emissionen verantwortlich sind. Dabei werden insgesamt 58 % der Emissionen auf dem Nachlauf, der sogenannten Letzten Meile ausgestoßen.

  • Mit 20 ktCO2e hat der Kund:innenverkehr (z.B. zur Paketstation) nur einen kleinen Anteil an den Gesamtemissionen.

 

Nachhaltigkeit der Verpackungen im E-Commerce

  • Mit dem Wachstum des Onlinehandels geht auch ein vermehrtes Verpackungsaufkommen einher

  • Den größten Anteil der Versandverpackungen bilden Kartonagen.

  • Kunststoffverpackungen werden mittlerweile als weniger nachhaltig wahrgenommen.

  • Die Treibhausgas-Emissionen für Einwegversandverpackungen liegen im Bereich von 20 bis 756 g CO2e, abhängig vom verwendeten Material (Papier/Pappe oder Kunststoff, Anteil recyceltes Material) und der Verpackungsgröße.

  • Nimmt man bei Mehrwegversandverpackungen an, dass die Rückabwicklung an einem zentralen Ort innerhalb Deutschlands stattfindet, entstehen pro Nutzungszyklus Emissionen im Bereich von 14 bis 828 g CO2e, abhängig von der Größe, dem Anteil an recyceltem Material und davon, ob es sich um eine flexible Verpackung oder eine Hartverpackung (d. h. faltbar oder nicht faltbar für den Rückversand) handelt.

 

Nachhaltigkeit der digitalen Infrastruktur im E-Commerce

  • Die Ermittlung des ökologischen Fußabdrucks der digitalen Infrastruktur des Onlinehandels wird von vielen Unsicherheiten sowie Abhängigkeiten vom jeweiligen Nutzungsverhalten geprägt

  • Bei der Betrachtung der Emissionen eines singulären Onlinekaufvorgangs kann vor allem der Einfluss des Verhaltens der Verbraucher:innen (Wahl energieeffizienter Endgeräte sowie nachhaltiger Umgang mit der IKT-Infrastruktur) aufgezeigt und teilweise quantifiziert werden.

  • So konnten Emissionen in der Höhe von 63 g CO2e,resultierend aus dem energetischen Mehraufwand eines singulären Onlinebestellvorgangs, für die digitale Infrastruktur einer durchschnittlichen Onlinebestellung in Deutschland für das Jahr 2020 ermittelt werden.

  • Dieser Wert kann sich jedoch, je nach getroffenen Annahmen und Nutzungsszenarien, stark unterscheiden.

 

Nachhaltigkeit der Logistikzentren im E-Commerce

  • Eine Top-down Betrachtung der Energieverbräuche von Logistikzentren ergab Emissionen in Höhe von 66 g CO2e pro Paket

  • Für die Bottom-up-Betrachtung ergaben sich Werte von 20-32 g CO2e pro Paket und durchlaufenem Logistikzentrum.

  • Generell können sich solche Emissionen allerdings je nach den involvierten Logistikzentren und hiermit verbundenen Faktoren wie der Größe des Standortes (mengenmäßiger Durchsatz, etc.), den Arbeitsanforderungen und Funktionen des Standortes (Art der Sendungen, Kühllager, Gefahrgut, Anteil an Fläche für längerfristige Lagerung, etc.) sowie der technischen Ausstattung (z. B. Automatisierungsgrad) und bereits ergriffenen Optimierungsmaßnahmen stark unterscheiden.

 

Nachhaltigkeit ausgewählter neuer Geschäftsmodelle im E-Commerce

  • Neue Geschäftsmodelle unterscheiden sich in wenigen Aspekten vom herkömmlichen Onlinehandel und die Auswirkungen dieser Unterschiede auf die ökologische Nachhaltigkeit sind als vergleichsweise gering einzuschätzen

  • Im Bereich der Lieferverkehre kann es jedoch bei allen den betrachteten Geschäftsmodellen (Instant Delivery, Re-Commerce, Retail as a Service) zu zusätzlichen Emissionen kommen: durch die Belieferung der Zwischenverteilzentren und die geringe Möglichkeit der Bündelung von Lieferungen bei Instant Delivery, durch zusätzliche Transportwege zur Wiederaufbereitung im Re-Commerce (welche bei einem "Recht auf Reparatur" übrigens genauso entstünden) und durch die Kombination von Onlinehandel und stationärem Handel bei RaaS, bei dem sowohl der Kund:innenverkehr als auch der Lieferverkehr im Onlinehandel entsteht.

  • Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Verringerung der ökologischen Auswirkungen erscheint auch hier die Elektrifizierung des Verkehrs. Speziell der Einsatz von BEV auf der letzten Meile, z.B. bei der zeitnahen Auslieferung der kurz zuvor bestellten Lebensmittel, kann (unter der Voraussetzung, dass dadurch ein separater Wocheneinkauf der Kund:innen ersetzt wird) einen Hebel zur Emissionsreduktion darstellen.

  • Außerdem kann die Bündelung von Lieferungen und die Einrichtung von Ladezonen positive Effekte haben.

  • Auch wenn Re-Commerce zu erhöhten Lieferverkehren führt, kann davon ausgegangen werden, dass die THG-Vermeidung durch die Lebensdauerverlängerung von Waren und die dadurch vermiedene Neuproduktion zusätzliche Emissionen in den meisten Fällen ausgleichen, so dass Geschäftsmodelle von Re-Commerce-Plattformen (sowohl C2C als auch B2C) insgesamt als sehr positiv für den Klimaschutz einzuschätzen sind.

 

Nachhaltigkeit des Onlinekonsums

  • Aus konsumpsychologischer Sicht gibt es bei nachhaltigen Konsumentscheidungen Besonderheiten, die sich durch den Onlinehandel ergeben.

  • So können sich durch die hohe Geschwindigkeit und die Zugänglichkeit Impulskäufe mehren.

  • Auch gibt es Entscheidungsheuristiken, die für den Onlinehandel von besonderer Relevanz sind und für die Förderung von nachhaltigen Kaufentscheidungen genutzt werden können. Zwei Entscheidungsheuristiken, die dabei im Fokus stehen, sind die Emotionale Stabilität ("Vermeidung von Frustkäufen") und die bedürfnisbefriedigende Wirkung von Konsum ("Identitätstiftung").

  • Die sogenannte Einstellungs-Verhaltens-Lücke erklärt, warum das Bewusstsein für Nachhaltigkeit vorhanden ist, aber gleichzeitig dazu widersprüchlich gehandelt wird. Beeinflusst wird dieser Zusammenhang sowohl von Gewohnheiten, die auch im Rahmen der Kaufentscheidung unterbrochen werden können, als auch von sozialen Normen. Diese sind eine der stärksten Stellhebel, um Kaufverhalten zu ändern.

 

Übergreifende Betrachtung

  • Bei einer übergreifenden Betrachtung fällt auf, dass grundsätzlich die meisten ökologischen Auswirkungen eines Produktes (wie z. B. Ressourcenverbräuche, Emissionen, usw.) nicht während des Handelsvorganges, sondern bereits während der Herstellung bzw. dem Produktionsprozess und bei einer eventuellen späteren Entsorgung anfallen. Der vergleichsweise kurze Abschnitt des Handels ist in den meisten Fällen nur für einen verhältnismäßig kleinen Anteil an THG-Emissionen verantwortlich.

  • Wird als Vertriebsform eine Onlinebestellung von Seiten der Kunden gewählt, was in den letzten Jahren immer häufiger der Fall war, zeigt sich dabei insgesamt, dass der Onlinehandel sich zwar für eine beachtliche Anzahl verschiedenster Auswirkungen auf die ökologische Nachhaltigkeit verantwortlich zeigt, dies jedoch vor dem Hintergrund gesehen werden muss, dass auch der traditionelle, stationäre Einzelhandel Auswirkungen auf die Umwelt hat (z. B. in Form von THG-Emissionen und Flächenverbräuchen) und zudem auch hier vielfältige Wege von Seiten des Kunden während Kauf und eventueller Rückgabe zurückgelegt werden.

  • Einen tatsächlichen Rückgang schädlicher Auswirkungen des Handels könnte folglich nur durch größere Suffizienz, sprich bewussten Konsumverzicht, auf Seiten der Kund:innen erfolgen. Ist die Konsumentscheidung aber erst einmal gefallen oder lässt sich der Konsum schlichtweg nicht vermeiden, muss die Entscheidung zwischen stationärem Einzelhandel oder Onlinehandel aus ökologischen Erwägungen jeweils in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen des Einzelfalls entschieden werden.

 

25 Ansatzpunkte für mehr Nachhaltigkeit im E-Commerce

Politische Handlungsempfehlungen